Herz-Jesu-Sonntag im Jahreskreis C (Dom 5.
Juni 1989)
Das Herz-Jesu-Fest wird heute
gefeiert. Da mŸsste doch im Evangelium – so mšchte man meinen – vom
durchbohrten Herzen die Rede sein, dem auch noch der letzte Blutstropfen
entquollen ist; tatsŠchlich aber hšrten wir das Evangelium vom verlorenen
Schaf, dem der Gute Hirte nachging und es suchte und suchte, bis er es endlich
fand. Was hat dieses Evangelium mit dem Herzen Jesu zu tun? Scheinbar nichts
und doch sehr viel. Denn in der sorgenvollen geduldig suchenden Liebe des Guten
Hirten offenbart sich in besonders schšner, eindrucksvoller Weise die innerste
Gesinnung Jesu, also das, was wir mit dem Bildbegriff Herz Jesu meinen. Wir
mŸssen dabei auch beachten, dass das Herz-Jesu-Bild der Urkirche und der frŸhchristlichen
Zeit das Bild des Guten Hirten gewesen ist. Im Bild vom Guten Hirten gemŠ§
seiner Schilderung bei Mt 18; 12-14, Lk 15,1-8 und Joh 10,11-21 kommt
tatsŠchlich all das zum Ausdruck, was im Bildbegriff ãHerzÒ von der innersten
Gesinnung des Gottmenschen ausgesagt werden soll, vor allem seine selbstlos
suchende, rettende Liebe zu den SŸndern.
Mindestens seit dem 3.
Jahrhundert finden sich, namentlich in den Katakomben, zahlreiche Darstellungen
Christi als Guter Hirte, der seine Herde auf gute Weide fŸhrt, der seine Schafe
kennt und liebt und ihnen nachgeht, wenn sie sich verlaufen haben und sie vor
dem rei§enden Wolf schŸtzt. Besonders gelŠufig ist die Darstellung Jesu als
Hirte, der das verlorengegangene Schaf auf den Schultern um den Nacken gelegt trŠgt
oder an seine Burst, also an sein Herz, drŸckt.
Das Motiv des Guten Hirten ist
bezeichnender Weise das hŠufigste und Šlteste der gesamten Katakomben Malerei
und der Sarkophag Plastik, was sich nur dadurch erklŠren lŠsst, dass einst
Jesus selbst seine innerste Herzensgesinnung im Bild vom Guten Hirten durch die
entsprechenden Gleichnisse seinen Hšrern nahegebracht hatte.
Vielsagend ist mir, dass die
Šlteste Christusdarstellung, die auf šsterreichischem Boden gefunden wurde,
ebenfalls eine Darstellung des Guten Hirten ist: IN den Ruinen der ršmischen
Stadt Virunum nahe dem Zollfeld bei Klagenfurt in KŠrnten fand man Reste eines
aus dem ersten Drittel des 3. Jahrhunderts stammenden Sarkophags, darauf die
Reliefdarstellung Jesu, der mit der Tunika bekleidet, aufrecht dasteht, das
bŠrtige Haupt leicht zur Seite gewandt, auf seinen Schultern trŠgt er und mit
beiden HŠnden hŠlt er ein Lamm.
Wenn wir uns nun dem Gleichnis
vom Guten Hirten, wie wir es heute im Evangelium vor uns haben, zuwenden, um es
zu deuten, so ist folgendes zu sagen:
Wenn ein Hirte in bergiges
HŸgelland PalŠstinas seine Herde auf die Weide gefŸhrt hatte, geschah es gar
nicht selten und geschieht es sicher auch heute noch, dass ein Schaf unbeachtet
zurŸckgeblieben war, weil es sich in einer Schlucht oder in einem DorngestrŸpp
der Steppe verirrt hat. Der Hirte bemerkt den Verlust vielleicht erst am Abend,
wenn er die Schafe in den Stall, in die HŸrde zurŸckgetrieben und beim
Hineintreiben abgezŠhlt hat. Man sieht es fšrmlich, wie die Schafe springlebendig
und vollgenŠhrt am Abend zum Stall kommen. Und nun geht das ZŠhlen an. Nur eins
nach dem anderen darf bei der schmalen HŸrdentŸr hinein. Der Hirte steht mit
seinem Hirtenstab dazu beim Eingang da und zŠhlt. Und wie es dem Ende zugeht,
merkt er schon besorgt, ein Schaf scheint zu fehlen. Am Schluss wird die bange
Sorge zur Gewissheit: Ja, es sind nur 99 und nicht 100! Die einzige Sorge des
Hirten geht nun dahin, das verlorene Schaf zu suchen. Er scheut dabei keine
MŸhe, er geht in jedes Tal, in jede Schlucht, auf jede Anhšhe; er durchsucht
das GestrŸpp ringsum in der ganzen Gegend; er horcht und lockt und ruft. Und
weil er nichts hšrt, so geht das Suchen weiter: Stunde um Stunde vergeht dabei,
die Dunkelheit bricht herein. Er beeilt sich, weil ja die Gefahren, die dem
verlorenen Schaf vonseiten wilder Tiere drohen in der Nacht noch grš§er werden.
Fast mšchte schon €rger und Ungehaltenheit im Herzen des Hirten aufsteigen,
weil ihm dieses eine dumme Schaf, das sich da verirrt und verlaufen hat, so viel
Sorge macht und so viel Zeit raubt. Aber die Liebe gerade zu diesem einen Schaf
ist stŠrker, viel stŠrker als der aufsteigende €rger. Die Liebe treibt den
Hirten weiter, er ruft und lockt wieder. Und diesmal vernimmt er als Antwort
auf sein Rufen und Locken ganz zarte, hauchdŸnne Laute. Dort drŸben, in jener
Schlucht, muss es sein. – Mitten im GestrŸpp verstrickt findet der Hirte
dann wirklich das verlaufene Schaf. Er hebt es sorgfŠltig heraus. Er untersucht
es sogleich, ob ihm wohl doch nichts fehlt. Dann hebt er es auf seine Schultern,
drŸckt es froh an sein Herz und trŠgt es heim. Die Freude des Hirten Ÿber das
wiedergefundene, verlorene Schaf ist so gro§, dass er diese Freude noch zu
spŠter Nachtsunde seinen Kollegen, den anderen Hirten, mitteilen muss: ãDenkt
euch, die Freude, das verlorene Schaf hab ich wiedergefunden! Freut euch mit
mir!Ò
Die Deutung dieses ergreifend
schšnen Gleichnisses gab Christus selbst mit seinem ganzen Verhalten gegenŸber
den in Irrtum, SŸnde und Laster verstrickten Menschen, denen er mit seiner
Gut-Hirten-Liebe nachging zum €rger der selbstgerechten Schriftgelehrten und
PharisŠer. Diese murrten und schimpften, dass ihnen Jesus die Zšllner und
SŸnder vorzog und es nicht unter seiner WŸrde fand, in solch schlechter
Gesellschaft sogar Mahl zu halten. Ganz offen sagte es der Herr den
Schriftgelehrten und PharisŠern: ãNicht die Gesunden bedŸrfen des Arztes,
sondern die Kranken... Und der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu
retten, was verloren war.Ò
In seiner Gut-Hirten-Liebe hat
uns Christus die innerste Gesinnung seines Herzens geoffenbart: Er lie§ uns
einen Blick tun in sein Herz voll barmherziger, verzeihender Liebe. Und er
wollte, dass es ihm seine JŸnger nachmachen in der einzig richtigen Pastoral.
Da gibt es in unserer Stadt eine Ordensschwestern-Gemeinschaft, die sich
ãKongregation von der Liebe des Guten HirtenÒ nennt und deren Mitglieder kurz
ãdie Guten-Hirten-SchwesternÒ hei§en. Sie legen zu ihren drei OrdensgelŸbden
der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams noch ein 4. GelŸbde ab, das so
lautet: ãEbenso gelobe ich, am Seelenheil jener Menschen zu arbeiten (zu beten
und zu opfern), die in unsere HŠuser kommen, um sich zu bekehren und Bu§e zu
tun.Ò
Vielleicht klingt es nicht sehr
modern, gro§zŸgig und welterobernd, was da gelobt und versprochen wird, aber es
ist wahrlich dem Guten Hirten aus dem Herzen gesprochen, der da im Gleichnis
uns allen sagt: Im Himmel wird mehr Freude sein Ÿber einen einzigen SŸnder, der
umkehrt und sich bekehrt, als Ÿber 99 Gerechte, die scheinbar der Bu§e nicht
bedŸrfen.Ò
Gebet um die Bekehrung der
SŸnder, Sorge um ihr Seelenheil und dazu die richtige pastorale Methode: Geduld
und Liebe! Verirrte Menschen, arme SŸnder, kšnnen ja nicht mit Gewalt auf den
rechten Weg zurŸckgefŸhrt und gerettet werden, sondern nur durch die Liebe, die
selbstlos sich opfert nach dem Vorbild des Guten Hirten, der nach dem
verlorenen Schaf sucht und sucht und sucht, bis er es findet:
Es ist so, wie es in dem als
kitschig verschrienen
Priester-Herz-Jesu-Lied, das vor Jahrzehnten zwei prominente
Priesterkandidaten im Germanikum in Rom, der spŠtere Augsburger Bischof Josef
KumpfmŸller und der spŠtere Stadtpfarrer und Dekan von Vilsbiburg in Bayern,
Anton Gštz, gedichtet und komponiert haben:
ãEin Priesterherz ist Jesu Herz,
das Opferlamm fŸr unsre SŸnden, sucht Ÿberall in SorgÔ und schmerz die irren
SchŠflein aufzufinden... Ein Priesterherz ist Jesu Herz, und Seelen nur sind
sein Begehren, fŸr Seelen litt es Tod und Schmerz, fŸr Seelen willÕs die LiebÔ
verzehren...Ò